In schöner Regelmäßigkeit erschüttert ein Lebensmittelskandal die deutsche Gastronomie. Mal hat der Nachweis gesundheitsschädlicher Stoffe oder halbseidener Herstellungsverfahren neben dem üblichen medialen Aufschrei (Analog-Käse, Schummelschinken) weitreichende Folgen, mal gerät die Sache recht schnell in Vergessenheit (Analog-Käse, Schummelschinken). Ein Paradebeispiel für einen verantwortungsvollen Umgang mit Untersuchungsergebnissen, die in gesetzlichen Konsequenzen münden, stellt der Nachweis von Acrylamid in Pommes Frites aus dem Jahre 2002 dar. Im Frühjahr des Jahres 2002 veröffentlichten schwedische Forscher Erkenntnisse, die aufhorchen ließen. Der Videotext des ersten deutschen Fernsehens berichtete damals:
„Grundnahrungsmittel können nach Erkenntnissen schwedischer Forscher hohe Konzentrationen einer wahrscheinlich krebserzeugenden Substanz enthalten. Bei der Untersuchung des Effekts der Erhitzung auf Nahrungsmittel wie Getreide, Reis und Kartoffeln hätten Wissenschaftler der Universität Stockholm die Substanz Acrylamid entdeckt, die im Verdacht stehe, Krebs zu erzeugen.“
Ein Leben ohne Pommes? Ein Aufschrei aus den Kehlen unzähliger Pommes-Freunde durchdrang das Land von Flensburg bis Oberstdorf. Pommes Frites gelten als Grundnahrungsmittel. In diesem Zusammenhang konnte der gerade neu geschaffene Begriff der Freedom Fries ganz neu gewertet werden. Lasst die Franzosen sich weigern, hier ging es um etwas anderes. Pommes Frites ohne Acrylamid, wahre Freedom Fries sind Pommes Frites, die nicht krebserzeugend sind! Man hätte meinen können, dass das übliche Sommerloch gefüllt werden musste – aber mit Acrylamid in Pommes Frites ist wahrlich nicht zu spaßen: Acrylamid wird als krebserzeugend, erbgutverändernd, giftig, reizend, sensibilisierend und fortpflanzungsgefährdend eingestuft. Verbraucherministerin Renate Künast riet in weiser Voraussicht dazu, „wegen des krebserregenden Stoffes Acrylamid weniger Chips und Bratkartoffeln zu essen“.
Und was war jetzt mit den Pommes Frites? Und viel wichtiger, den Freedom Fries? Kurz vor Weihnachten 2002 zeigte sich der Gesetzgeber besonnen und verordnete der Gastronomie die erste Acrylamid-Vorschrift. Diese besagt, dass Gaststätten und Imbisse Pommes Frites wegen des Krebs erregenden Stoffes Acrylamid künftig nur noch bei 175 °C erhitzen dürfen. Besonders viel Acrylamid entsteht, wenn kartoffel- und getreidehaltige Lebensmittel trocken über 180 °C erhitzt werden. Die Acrylamidbildung beginnt allerdings bereits bei 120 °C, steigt jedoch bei 170–180 °C sprunghaft an. Eine Absenkung der Höchsttemperatur beim Backen um 10–20 °C verringert die Bildung von Acrylamid merklich.
Der wahre Ritter in strahlender Rüstung ist jedoch die Vakuumfritteuse. Mit dieser kann der Acrylamidgehalt bei frittierten Produkten nämlich eindeutig gesenkt werden, außerdem wird viel weniger Fett als bei herkömmlichen Fritteusen eingesetzt. Mit der Vakuumfritteuse können Pommes Frites bei nur 120 Grad zubereitet werden und der Acrylamidgehalt wird um bis zu 94% reduziert. Konnten die Pommes Frites nun endlich ihre wohlverdiente Transformation zu Freedom Fries abschließen?
Nein, auch dies war nicht der Weisheit letzter Schluss. Man konnte Geld darauf wetten, dass in ein paar Jahren der nächste Skandal um die Ecke schaut, und so war es dann auch. Die neue Züricher Zeitung (NZZ) berichtete 2008 von krebserregendem Glycidamid in Chips und Pommes. Wann finden die Pommes Frites endlich ihren Frieden und werden zu echten Freedom Fries?
Das weiß nur der Wind, die Vakuumfritteuse und die Lebensmittelindustrie.