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PLEITEN À LA CARTE - Deutschlands Gastro-Sterne verglühen

Dass sich Meinhard von Gerkan und sein Mieter Josef Viehhauser früher einmal sehr mochten, ist offensichtlich. In der Eingangsvitrine von Viehhausers Gourmet-Restaurant "Le Canard" an der Hamburger Elbchaussee hängen Bilder, die den Architekten Gerkan und den Spitzenkoch vertraut Arm in Arm zeigen. Die Regale rund um die Vierertische zieren etliche Bildbände des Architekten, teils mit höchst persönlichen Widmungen. Doch das Tischtuch zwischen den einstigen Freunden ist zerschnitten. Gerkan, der Viehhausers "Le Canard" entwarf, wartet seit rund einem Jahr auf seine Miete von monatlich 20 000 Euro. Aber der Koch zahlt nicht, vielmehr, er kann nicht mehr zahlen, weshalb ihm Gerkan eine ganz besondere Art der Widmung zukommen ließ: eine Räumungsklage. Auch das Insolvenzverfahren läuft bereits. Wie Viehhauser ging es zuletzt einer ganzen Schar deutscher Spitzenköche. Vorbei die Zeiten, in denen das Restaurant "Vivaldi" im Berliner Grunewald den "Kartoffelschnee mit Imperialkaviar" für 98 Mark als Vorspeise kredenzte. Passé die Epoche, als sich Spitzenköche wie Popstars benahmen und glaubten, keine Gala auslassen zu dürfen - als Gäste wohlgemerkt, nicht als Lieferanten. DER SPIEGEL Kellermann: "Auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig getanzt" Jetzt gibt's die Pleiten à la carte: Von 18 Sternen, die der Gourmet-Führer "Michelin" in seiner 2004-Ausgabe gestrichen hat, sind 11 wegen Insolvenz des bewerteten Betriebs auf den Herdplatten verglüht. Betroffen waren so renommierte Lokale wie das "Carême" in Aschaffenburg oder das "Veneto" auf Sylt. Auch das von der Kritik umjubelte "Marcobrunn" im Schloss Reinhartshausen Kempinski bei Eltville sperrte erst kürzlich die Türen zu, weil eine Rentabilität nicht absehbar war. Ein Grund für die zunehmenden Pleiten am Herd ist nach Ansicht vieler Gastronomen die Spesenpolitik der Bundesregierung, die die kulinarischen Exzesse vieler Geschäftsleute nicht länger mitbezahlen wollte. Doch meist sind die Finanzprobleme hausgemacht wie die Pasta: "Viele der Starköche haben einfach auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig getanzt", sagt Manfred Kohnke, Redaktionsleiter des gefürchteten "GaultMillau"-Restaurantführers. In der Euphorie der goldenen Börsenjahre haben sich viele Küchenchefs schlicht übernommen, weil sie neben ihrem eigentlichen Stammlokal im Rausch noch ein Zweit- oder gar Drittlokal eröffneten. Die gewagten Expansionen entpuppten sich für die meisten als Fehlinvestition, die auch Josef Viehhauser die Existenz kosten könnte. Der Hamburger betrieb neben dem "Le Canard" noch ein Restaurant im Presseclub Berlin, ein Bistro und eine Vinothek im Hamburger Dorint-Hotel. Weil dabei nur die Kosten aus den Fugen gerieten, muss nun wieder heruntergehungert werden. Dazu kommt, dass Köche wie Viehhauser wegen ihrer unternehmerischen Aktivitäten kaum mehr Zeit finden, ihre Qualitäten in der Küche zu entfalten. "Die Gäste kommen aber, weil sie Spitzenköche erwarten, und sind bitter enttäuscht, wenn sie nicht da sind", sagt Kohnke. Das alles wäre noch zu korrigieren. Kaum zu ändern ist jedoch die Wahl der Zutaten, bei der sich so mancher Koch sträflich verkalkuliert hat. "Da wird ausschließlich auf edelsten bretonischen Hummer gesetzt. Oder man schmeißt 80 Prozent eines Salates weg, nur um an das Herz zu gelangen", sagt Wolfgang Nagler, Ex-Sterne-Koch im Brandenburger Hof in Berlin. Der oft betriebene Aufwand sorgte dafür, dass selbst Menüpreise von 80 bis 100 Euro zu billig waren, sagt Alfred Bercher, Redaktionsleiter des "Michelin". Etwa 30 Prozent verschlingen die Zutaten. Weitere 40 Prozent müssen die Gastronomen für ihr Personal aufwenden, das - egal ob Gäste an den Tischen sitzen oder nicht - immer präsent sein muss. Der Rest geht für teure Bestecke, Gläser, Porzellan, Tischdekoration, Reinigung und Mieten drauf, so dass am Ende kaum mehr als ein Euro pro Menü hängen bleibt. "Ganze Generationen von guten Gastronomen sind deswegen im Nichts verschwunden", sagt Harald Wohlfahrt, einer von Deutschlands fünf Drei-Sterne-Köchen. Dabei hat der gut reden. Er kommt nur deshalb einigermaßen zurecht, weil seine "Schwarzwaldstube" Teil des Hotels Traube Tonbach ist, welches die kulinarischen Ausflüge des Badeners subventioniert. Allein ein Teller Nudeln mit zehn Gramm weißen Trüffeln kostet Wohlfahrt im Einkauf 50 Euro. "Und dann sitzt da der Gast und sagt: 'Nun hobel mal ordentlich'", erzählt der Koch. "Da liegen schnell Trüffeln für 90 Euro auf dem Teller. Doch der Gast hat dafür keinerlei Empfindung." Neidvoll blicken die Köche auf die Franzosen, bei denen Menüpreise von 200 oder 300 Euro wie selbstverständlich bezahlt werden. Weil das in Deutschland aber völlig illusorisch ist, hat sich nun auch Thomas Kellermann in die Obhut des prunkvollen neuen Ritz-Carlton in Berlin begeben. Entnervt gab der Koch zuvor sein eigenes Restaurant "Portalis" auf. Jetzt darf sich Kellermann im "Vitrum" des Ritz-Carlton austoben. Mit 20 Mitarbeitern umgarnt er maximal 50 Personen. Das große Menü kostet 98 Euro. Den wahren Preis zahlt man im Hotel, in dem das "Deluxe Gästezimmer" 300 Euro und mehr pro Nacht kostet.

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