Tesco: Auf Siegeszug |
Zu groß, zu billig, zu profitabel - der Handelskonzern Tesco ist bei vielen Briten inzwischen ähnlich unbeliebt wie Weltmarktführer Wal-Mart in den USA. "Diese ungeheuerlichen Gewinne zeigen, wie Tesco seine Lieferanten presst und den Wettbewerb erstickt", polemisierte die Umweltschutzgruppe Friends of the Earth, als Tesco seinen Rekordgewinn von 2 Mrd. Pfund (rund 3 Mrd. Euro) für 2004 vorlegte.
Die Ausbreitung kleiner Tesco-Filialen beschädige die lokale Wirtschaft, moniert der Verband der britischen Tante-Emma-Läden, Association of Convenience Stores. Landwirte klagen über niedrigere Preise, Dritte-Welt-Gruppen über miese Arbeitsbedingungen in Obstanbauländern, und Bürger protestieren gegen die Ansiedlung großer Märkte. Die teilweise schrillen Proteste stehen im krassen Gegensatz zur Beliebtheit bei den Kunden. Die Filialen des britischen Marktführers sind keineswegs trostlose Discount-Hallen, sondern bieten eine breite Auswahl an frischen Produkten.
"Es ist wahrscheinlich die Allgegenwart von Tesco, die den Widerstand hervorruft", sagt Bryan Roberts, Einzelhandelsexperte der Beratungsfirma Planet Retail. Seit Tesco mehrere Ketten kleiner Nachbarschaftsläden und etliche Tankstellen-Shops übernommen hat, prangt vielerorts an jeder Ecke ein Tesco-Logo. Im Lebensmittelhandel soll der Konzern einen Marktanteil von 30,5 Prozent haben, glauben Kritiker. Mehr und mehr aber dringt Tesco auch ins Nicht-Lebensmittelgeschäft vor und macht dort selbst Platzhirschen wie dem Textilriesen Marks & Spencer schwer zu schaffen.
Ende September eröffnet Tesco mit "Homeplus" seinen ersten Markt, der völlig ohne Lebensmittel-Sortiment antritt. Wettbewerber Kingfisher schließt unterdessen wegen der britischen Konsumzurückhaltung 22 seiner B&Q-Baumärkte. Den Konkurrenten ist es trotz Preissenkungen nicht gelungen, Tescos Siegeszug aufzuhalten. Darum verlegen sie sich zunehmend darauf, Klagen bei den Aufsichtsbehörden einzureichen. Ausgerechnet die Wal-Mart-Tochter Asda, mit gerade einmal halb so viel Umsatz die Nummer zwei in Großbritannien, war sich jetzt nicht zu schade, die Finanzmarktaufsicht FSA anzurufen, um die Investmentbank Goldman Sachs zur Rücknahme einer Analyse zu bewegen. Diese hatte ergeben, dass nicht mehr Asda, sondern Tesco der billigste Supermarkt ist.
Asda hält den Report für fehlerhaft, Goldman Sachs aber bleibt dabei. Andere Konkurrenten beklagten sich neulich bei der Kartellbehörde OFT darüber, dass Tesco Grundstücke horte. Tatsächlich besitzt der Konzern nach einem Bericht der Wettbewerbskommission fast die Hälfte aller Flächen, die in Großbritannien für neue Einzelhandelsbauten noch zur Verfügung stehen. Bei der Vorlage der Halbjahreszahlen, die mit einem Gewinn von 641 Mio. Pfund wieder einmal über den Erwartungen lagen, zeigte sich Tesco-Chef Terry Leahy am Dienstag gelassen gegenüber dem Vorwurf, sein Konzern agiere unfair.
"Der Kunde entscheidet, wer gewinnt oder verliert", sagte er. Die Wettbewerbsbehörde jedenfalls habe sich bei ihm noch nicht beschwert. Doch für den Fall, dass sich die Stimmung gegen Tesco weiter aufheizt, baut der Handelskonzern längst vor. Tescos Auslandsexpansion, die 1994 in Ungarn zunächst zaghaft startete, hat inzwischen klar an Fahrt gewonnen. Während seit 2003 Tescos Investitionen auf der britischen Insel schrumpfen, steckt der Konzern immer mehr Geld in osteuropäische und asiatische SB-Warenhäuser. Entsprechend legten die Umsätze in der ersten Jahreshälfte 2005 jenseits der Landesgrenzen deutlich stärker zu als auf dem Heimatmarkt.
In zwölf Ländern außerhalb des Vereinigten Königreichs ist Europas viertgrößter Lebensmittelhändler aktuell vertreten. Und bald schon könnten es mehr werden. Zwar dementierte Finanzchef Andrew Higginson Meldungen, nach denen Tesco die Übernahme des US-Konkurrenten Albertson’s prüfe, deutete aber die Expansion in weitere Auslandsmärkte an. "Wir halten Ausschau nach Gelegenheiten in der ehemaligen Sowjetunion", sagte er. Konkrete Pläne gebe es momentan jedoch noch nicht.
Mit einer Ertragsmarge (Ebita) von 5,8 Prozent lässt Tesco Wettbewerber wie Carrefour (4,5 Prozent), Metro (3,3 Prozent) und Ahold (1,8 Prozent) weit hinter sich. Im ersten Halbjahr 2005 stiegen die Erlöse um stattliche 14,1 Prozent. Während das Auslandsgeschäft um 17,3 Prozent zulegte, schaffte Tesco selbst im schwachen britischen Markt ein Plus von 11,1 Prozent. Mit einem Kursplus von 20 Prozent in den vergangenen fünf Jahren zählt Tesco zu den Spitzenwerten im Lebensmittelhandel. Wal-Mart verlor in diesem Zeitraum 40 Prozent an Aktienwert, auch Metro büßte 7 Prozent ein.
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